Pinterest

Mittwoch, 17. Mai 2017

„Wir alle werden im NATO-INTERESSE belogen“


Wir werden nach Strich und Faden im NATO–Interesse belogen


Am 24. März hielt Willy Wimmer einen Vortrag zum Thema „Die Akte Moskau“ in der Lutherstadt Wittenberg. In einem Buch gleichen Namens fasst er Beobachtungen aus jahrzehntelanger Arbeit als Bundestagsabgeordneter, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammen.

In einem Interview gegenüber Klagemauer.TV zeigt Willy Wimmer die Entwicklung der NATO von einem Verteidigungsbündnis zu einer weltweiten Aggressionsmaschine auf.
Auch in der deutschen Presse vollzog sich demnach ein augenscheinlicher Wandel. Über Jahrzehnte hinweg, so Wimmer, herrschte Pluralismus, das heißt, die verschiedenen Meinungen innerhalb der deutschen Bevölkerung fanden in den Leitmedien früher immer Ausdruck. Das habe sich aber im Zusammenhang mit der Kriegspolitik der NATO seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien völlig verändert. Man finde heute, so Wimmer weiter, keine von der NATO-Linie abweichenden Meinungen mehr in den deutschen Leitmedien. Die Medien und die Regierung trommeln für Krieg und es erfolgte seit Jahrzehnten ein schleichender Aufmarsch gegenüber der Russischen Föderation. So stünden nun die deutschen, amerikanischen und niederländischen Panzer quasi in den Vorgärten von St. Petersburg. Das sei eine für Europa verhängnisvolle, lebensgefährliche Politik.

Willy Wimmer verweist auf Parallelen zwischen heutigen Konflikten und dem illegitimen Jugoslawien-Krieg (www.kla.tv/9410, www.kla.tv/7585, www.kla.tv/4147, www.kla.tv/10196).

Nach stets gleichem Muster beginnen diese mit einer Lüge (www.kla.tv/2906).

Er gelangt zu dem Schluss: „Wir werden durch die Regierung nach Strich und Faden im NATO–Interesse belogen. Für jeden Krieg. Ich kann im Zusammenhang mit der Situation in Deutschland nur sagen: In der Verfassung steht, dass Deutschland einen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten muss. Das ist ein Verfassungsauftrag. Das was die Bundesregierung seit 1999 und dem Krieg gegen Jugoslawien macht, ist, sie lügt das deutsche Volk von einem Konflikt in den nächsten, und es ist Lüge, die bestimmend ist. Wir müssen nicht annehmen, dass diese Kriege, die wir führen oder an denen wir in irgendeiner Weise beteiligt sind, von der Charta der Vereinten Nationen gedeckt sind …“

Angesichts der weitreichenden Konsequenzen dieser Lügen für alle – auch für jene, die sie wissentlich oder unwissentlich in die Welt setzen – braucht es hier ein Umdenken. So wie mit Worten Kriege und Vernichtung ausgelöst werden, können diese durch Worte verhindert werden.

So schauen Sie nun das Interview mit Willy Wimmer an, der den Lügen unermüdlich das entgegensetzt, wovon er selbst überzeugt ist: „Das einzige, was uns bleibt, ist das Wort.“

Kla.tv: Herr Wimmer, in Ihrem Buch „Die Akte Moskau“ nennen Sie unter anderem die NATO-Osterweiterung. Das ist ja die Zusage der amerikanischen Regierung an die russische Regierung, damals während der Wendezeit in Deutschland, keine NATO-Osterweiterung durchzuführen. Nun gibt es aber Stimmen, die diese Zusage anzweifeln. Gibt es Belege für diese Zusage?

Willy Wimmer: Also zu dem zweiten Punkt kann ich objektiv nichts sagen. Weil, es ist schwer, wenn anonyme Quellen zitiert werden, zu sagen, das stimmt oder das stimmt nicht. Also, deswegen kann ich nur sagen: Nichtwissen. Regierungsamtlich ist das jedenfalls nicht gewesen, auch nicht in den Dingen, die im Bundesministerium der Verteidigung – und da hätte es hingehört – behandelt werden mussten. Was die Frage anbetrifft, der NATO-Osterweiterung: Es war im Zusammenhang mit den Vereinbarungen, die zur deutschen Wiedervereinigung (1990) getroffen worden sind, auch die Regelungen über die NATO-Mitgliedschaft und auch die Frage der Integration (Eingliederung) von (NATO-) Streitkräften in Deutschland, und dafür hatte ich die politische Verantwortung, war es selbstverständlich, dass die NATO nur limitiert sein sollte auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland, und die Grenze nach Osten, sollte die Ostgrenze Deutschlands sein. Vor diesem Hintergrund ist alles das, was wir vereinbart haben, so auch formuliert gewesen, dass es keine NATO-Osterweiterung geben sollte. Es gab dafür sogar einen sehr amerikanischen Hintergrund. Die Amerikaner haben uns im Sommer 1988 gesagt, alles das, was die Sowjets in Mitteleuropa machen, ist rein defensiv (verteidigend), dient dem Schutz von Mütterchen Russland und findet seine Begründung in den historischen Erfahrungen aus Napoleon und Adolf Hitler. Vor diesem Hintergrund war das, was wir im Zusammenhang mit der Europäischen Gemeinschaft und der NATO in die Wiedervereinigungsverträge geschrieben haben, zielgerichtet darauf zugeschneidert, die NATO so zu belassen wie sie ist. Übrigens, auch in ihrem defensiven Charakter (als Verteidigungsbündnis). Wir haben ja nach der deutschen Wiedervereinigung, nach der Charta von Paris im November 1990 zwei Dinge bekommen: Die NATO hat sich an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft gesetzt, was die Aufnahme von Beziehungen zu den ost- und mittelosteuropäischen Staaten anbetrifft. Und: Die NATO hat ihren Charakter geändert, von einem Verteidigungsbündnis, wozu auch der Deutsche Bundestag seine Zustimmung gegeben hat, zu einer Aggressionsmaschine, die weltweit eingesetzt werden kann. Das sind nur Fehlentwicklungen, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

Kla.tv: Ja, vielen Dank für die Antwort.
Nun beobachten wir aber schon seit Längerem große Militärtransporte Richtung Osten. Die größten seit Ende des Kalten Krieges. Nun, welche Rolle spielt Deutschland dabei, und warum hört man in den Leitmedien so wenig darüber?

Willy Wimmer: Ja, was die Funktion der sogenannten Leitmedien betrifft, müssen wir uns natürlich nicht wundern. Wir haben ja eine völlige Veränderung der deutschen Presse bekommen. Die deutsche Presse hat über Jahrzehnte hinweg – und damit sind wir ja auch groß geworden – Pluralismus (journalistische Vielfalt) nicht nur gepredigt, sondern ihn auch textlich zum Ausdruck gebracht. Das heißt, die Meinungen, wie sie in der deutschen Bevölkerung herrschten und herrschen, sind ja in den Leitmedien früher immer zum Ausdruck gebracht worden. Das hat sich aber im Zusammenhang mit der Kriegspolitik der NATO, seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, total verändert. Sie finden heute keine abweichenden, von der NATO Linie abweichenden Meinungen mehr in den deutschen Leitmedien. Es wird für Krieg getrommelt und vor diesem Hintergrund ist auch diese Entwicklung so eingetreten, wie Sie sie gerade beschrieben haben. Das ist leider der Weg mit dem wir es zu tun haben. Und, das wird für unser Land nichts Gutes bringen, auch nicht im Zusammenhang mit diesem, seit eigentlich Jahrzehnten laufenden, schleichenden Aufmarsch gegenüber der Russischen Föderation. Man muss sich das ja vor Augen halten: Deutsche Panzer stehen in den Vorgärten von St. Petersburg. Man muss sich ja nur an die Geschichte des Zweiten Weltkrieges erinnern, um zu wissen, welches Empfinden das in der Russischen Föderation, in Leningrad bzw. St. Petersburg, hervorrufen muss. Und, es sind ja nicht nur die deutschen Panzer, die da stehen, sondern auch die amerikanischen, die britischen, die holländischen (niederländischen), und von wem auch immer. Das heißt, im russischen Empfinden gibt es wieder eine Entwicklung, von denen die Amerikaner selber gesagt haben, das erinnert an Napoleon und Hitler. Und die Leute, die in St. Petersburg oder in Moskau leben, die müssen sagen: Die alten Kriegsgegner, unsere Feinde, stehen jetzt mit den alten Kriegsalliierten (-verbündeten) seit an seit an unserer Landesgrenze. Das ist eine für Europa verhängnisvolle Politik, und wir sehen gerade im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen, die in Washington laufen – zwischen dem Präsidenten Trump, der ja für eine Verständigung mit der Russischen Föderation plädiert (sich einsetzt), und den Vertretern des Militärisch-Industriellen-Komplexes (aus Militär, Rüstungsindustrie und Politik) – dass das für uns lebensgefährlich werden kann. Der langjährige amerikanische Verteidigungsminister Perry hat vor wenigen Tagen bei CNN in einem Interview gesagt: Es hat auch in der Zeit des Kalten Krieges (zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem Ostblock von 1947 bis 1989), nicht eine so brandgefährliche Situation für uns gegeben, als das, was wir heute feststellen müssen, und zwar im Sinne eines möglichen Ausbruchs eines nuklearen (atomaren) Konfliktes. Und er hat in diesem Zusammenhang sofort da hinterher geschoben: Das ist das Ende unserer Zivilisation. Da haben wir in der Zeit des Kalten Krieges, wo es Mechanismen des Austausches gab, nie dran gedacht. Heute ist das die Wirklichkeit, mit der wir es zu tun haben, und da spielt unsere Bundeswehr, mit den anderen in der NATO, Krieg, Konflikt – in Zusammenhang mit einem Land, das es nicht verdient hat. Das muss man so nüchtern sagen, wie es ist.

Kla.tv: Ja, Sie haben gerade angesprochen, die Eskalationsgefahr (Ausweitung des Konflikts) ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wer könnte Interesse an einer kriegerischen Auseinandersetzung in Europa, Asien haben?

Willy Wimmer: Ja, wir müssen uns ja fragen, wo ist der Kern der Auseinandersetzung, mit der wir es in Europa oder global sogar zu tun haben. Und ich glaube, dass man diese Frage sehr wohl beantworten kann. Die Russische Föderation, die Russen sagen: Wir sind Herr in unserem eigenen Haus. Wir wollen über unser eigenes Schicksal selbst entscheiden und die Entscheidung nicht in die Hände anderer legen. In Washington ist man der Auffassung, die Amerikaner können in jedes Land hinein intervenieren (sich einmischen), in das sie intervenieren wollen, und sich auch in die inneren Angelegenheiten eines jeden anderen Landes einmischen. Diese beiden Positionen können Sie nicht auf einen Nenner bringen. Und, die Frage ist, ob das nuklear (mit Atomwaffen) oder konventionell (ohne Massenvernichtungswaffen) ausgekämpft werden muss. Ich war in der Zeit des Kalten Krieges, in der Hochzeit des Kalten Krieges Übungsminister der letzten großen NATO-Übung WINTEX (Winter Exercise, Winterübung)/CIMEX (Civil Military Exercise, Zivile Militärübung) 1989 im Frühjahr, und ich kann nur jedem sagen, der an einen Konflikt in Europa denkt: Konventionell und nuklear würden wir ihn nicht überleben. Wir würden ihn sogar nicht überleben, bei den vorgeschalteten (vorangestellte) Migrationsbewegungen (Zuwanderungsbewegungen). Denn wir müssen ja immer davon ausgehen: Jeder Konflikt hat vorgeschaltete Migrationsbewegungen, die auch militärischerseits geplant werden. Die müssen geplant werden, weil ich sonst keine militärischen Auseinandersetzungen führen kann, wenn ich das nicht im Bild und im Griff habe. Das muss man ganz nüchtern sehen. Und das ist die Entwicklung, mit der wir es zu tun haben.

Kla.tv: Ja, das sind sehr besorgniserregende Ausblicke. Noch eine Frage – zurück zu Ihrem Buch. Da haben Sie auch den Kosovo-krieg angesprochen, den letzten nahen Krieg so fast vor der Haustür. Dort wurden ja in den Leitmedien die Kosovo Albaner als die Guten, und die Serben als die Schlechten dargestellt. Sehen Sie Parallelen zu heutigen Konflikten, vielleicht sogar zur NATO-Osterweiterung, was die Rolle der Medien angeht? Und die zweite Frage grad noch hinterher. Was könnte als Gegenpol für diese sogenannten Leitmedien gelten?

Willy Wimmer: Ja wir können, was die Beantwortung der ersten Frage anbetrifft, auf den WDR verweisen, den Westdeutschen Rundfunk. Der in einer brillanten Art und Weise, in einer großen Dokumentation, die Lügenpropaganda der NATO auseinander genommen hat, im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Der Titel damals, dieser Dokumentation, war: Es begann mit einer Lüge. Und, diese Dokumentation hat mustergültig für alles das, was wir seither erlebt haben, unter Beweis gestellt: Wir werden durch die Regierung nach „Strich und Faden“ im NATO-Interesse belogen. Für jeden Krieg. Ich kann im Zusammenhang mit der Situation in Deutschland nur sagen: In der Verfassung steht, dass Deutschland einen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten muss. Das ist ein Verfassungsauftrag. Das, was die Bundesregierung seit 1999 und dem Krieg gegen Jugoslawien macht, ist, sie lügt das deutsche Volk von einem Konflikt in den nächsten, und es ist Lüge, die bestimmend ist. Wir müssen nicht annehmen, dass diese Kriege, die wir führen oder an denen wir in irgendeiner Weise beteiligt sind, von der Charta der Vereinten Nationen gedeckt sind. Und die Charta der Vereinten Nationen ist deshalb beschlossen worden, weil man endlich Konsequenzen aus zwei verheerenden Weltkriegen ziehen wollte. Das heißt, wir bereiten uns über die Bundesregierung an der nächsten großen Auseinandersetzung, die dann aber unser Ende sein wird, auch noch vor.

Kla.tv: Dann die letzte Frage. Was könnte man denn als Gegenpol unternehmen?

Willy Wimmer: Das einzige, was uns bleibt, ist das Wort. Und da wir uns hier in einem kirchlichen Raum befinden, kann ich nur sagen: In der Stunde der Not, wenn ich keine Staatsmänner im eigenen Land habe, die sich an die Nation wenden können – wie das bei Helmut Schmidt und Helmut Kohl möglich gewesen wäre – bleiben uns eigentlich neben unseren eigenen Überlegungen, nur die großen Kirchen, die in der Stunde der Not auch an unsere Seite treten müssen und diesen Konflikt, der hochgeschaukelt wird gegenüber der Russischen Föderation, den müssen die verhindern – mit unserer Hilfe.

Kla.tv: Ja, vielen Dank Herr Wimmer für dieses aufschlussreiche Interview. Dankeschön.

„Wir werden im NATO-INTERESSE belogen“


Bucheinband: Kurzbeschreibung von „Die Akte Moskau“ vom Zeitgeist Verlag

„Ein Vierteljahrhundert nach Ende des Kalten Krieges ist der Frieden in Europa wieder brüchig geworden. Die NATO – und mit ihr die linientreuen Medien – lassen keine Gelegenheit aus, Wladimir Putin eine aggressive Expansionspolitik zu unterstellen, um im gleichen Atemzug die eigenen Kräfte aufzurüsten, und heikle Manöver an den Grenzen zur Russischen Föderation zu vollführen. In der jüngsten Fassung ihres Weißbuchs klassifiziert die Bundesregierung Russland gar als "Rivalen" und setzt es von der Bedrohung her dem IS gleich.

Willy Wimmer plädiert für einen anderen, nämlich partnerschaftlichen Umgang mit unserem östlichen Nachbarn, und das aus guten Gründen. Zwischen 1988 und 1992 – in einer Zeit, in der sich die Ereignisse überschlugen und staatliches Handeln geradezu ausgesetzt war – erlebte er in einer Spitzenposition des Verteidigungsministeriums eine Form der Zusammenarbeit mit der zerfallenden Sowjetunion, die an Offenheit und konstruktivem Charakter kaum zu überbieten war, bei der Gestaltung eines gemeinsamen "Hauses Europa".“




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen